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Anders gesagt!

Herr Sting, kann ein Kabarettist auch mal ernst sein?

Ja, diese ernsten Momente gibt es in meinem Leben auf jeden Fall. Im Privaten wie im Beruflichen. Im Privaten kann ich dem innigsten Wunsch, mal ernst zu sein, nachgeben. Im Beruflichen geht das nicht. Wenn der Vorhang aufgeht, ist es meine Berufung, die Zuhörer zum Lachen zu bringen. Was ich mir aber erlaube: Ich lasse schon mal einen Gag aus, wenn mir nicht danach ist. Wenn jemand gestorben ist und ich merke, das berührt die jetzt so, da kannst du diesen Satz aus deinem Programm einfach nicht bringen. Man sagt, dass Clowns im Herzen alle Melancholiker sind. Ist da was dran? Was ich über mich sagen kann: Grundsätzlich bin ich ein ernster Typ. Das merke ich immer wieder. Ich bin aber auch heiter, alles zu seiner Zeit. Ich glaube, dass jeder Mensch seine dunkle Seite hat. Was vielleicht bei einem Clown anders wirkt, das ist die Fallhöhe zwischen dem Komischen auf der Bühne und diesen melancholischen Zeiten. Was ebenfalls eine Rolle spielt: Um in der Manege oder wo auch immer präsent zu sein, muss man ganz bei sich sein können, sich auch selbst reflektieren. Ich glaube schon, dass Menschen, die so bei sich sind, eher dazu neigen, nachdenklicher und vielleicht auch melancholischer zu sein.

Wie reagieren die Menschen, wenn Sie mal nicht lustig sind?

Schon verwundert. Weil sie eine bestimmte Erwartung an mich haben. Wenn mir beim Metzger jemand blöd kommt, reagiere ich wie jeder andere. Ich bin sauer. Wie es ein Müllmann oder Finanzbeamter auch wäre. Ich merke dann, wie sich die Leute fragen: Was hat er denn jetzt? Der ist doch sonst immer so lustig. Andererseits bietet die Rolle, immer mit einem komischen Satz reagieren zu können, auch einen gewissen Schutz. Ich muss meine ernste Seite nicht zeigen, wenn ich nicht will.

Wo hört für Sie der Spaß auf?

Im zwischenmenschlichen Bereich verstehe ich keinen Spaß: Unachtsamkeit, Egoismus, das Egozentrische oder Ungehobelte im Umgang, da komme ich schnell an meine Grenzen. Wenn ich im Geschäft unfreundlich bedient werde, man mir nicht mal Guten Tag sagt, das ärgert mich. Das nimmt mich mit. Wenn man schon das Gefühl hat, die Welt eiert gerade, dann kommt es umso mehr auf Menschlichkeit, Achtsamkeit, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit an. Klar kann ich mir sagen, die Frau oder der Mann hat heute mal einen schlechten Tag. Aber mein Leben besteht auch aus schlechten Tagen. Damit muss man umgehen. Es vergibt sich doch keiner was, wenn er mal Entschuldigung sagt, wenn was schiefgegangen ist.

Und wenn es um ernste Themen geht?

Gott, ernste Themen, was ist das? Terrorismus, die politische Lage, die Entwicklung in der Welt, der Abgasskandal? Eher nicht. Man kann über alles einen Scherz machen. Ich sage mir da immer: Es gab schon immer Probleme mit der Welt. Die Zeiten waren nie gut. Für mich persönlich sind Krankheit und Tod wirklich eine ernste Sache. Vielleicht schreibe ich deshalb gern Krimis, weil ich das Thema Tod auf ironische Weise brechen kann. Wo gehen Sie hin, wenn es ernst wird? Lassen Sie mich so antworten. Wenn ich unterwegs bin, dann unternehme ich zunächst drei Dinge: Ich gehe in eine Buchhandlung, schaue mir Neuerscheinungen an, gucke, wie die Bücher präsentiert sind. Ich fühle mich wohl, wenn ich mich mit Büchern umgebe. Ich lese, lese, lese. Gerne auch Krimis. Die können ruhig hart sein. Wenn sie nur gut geschrieben sind. Ich kann mich in Büchern regelrecht verlieren. Der zweite Weg: Ich such mir ein Café, trinke eine Tasse Kaffee und esse vielleicht auch ein leckeres Stück Kuchen. Wenn die Stadt noch einen Fluss, See oder ein Meer hat, dann gehe ich dorthin und unternehme einen Spaziergang. Ich liebe das Wasser und ich mag den weiten, unverstellten Blick. In diesen Augenblicken bin ich zugleich ernst und heiter.

Wo sind solche Orte in Duisburg?

Naja, Buchhandlungen gibt es hier ja auch. Ich will da keine Namen nennen. Ebenso wie gute Cafés. Ebenfalls keine Namen. Wo ich spazieren gehe: am Rhein zum Beispiel. An der Mühlenweide in Ruhrort oder im Rheinpark. Die Sechs-Seen-Platte mag ich ebenfalls. Da merke ich, dass ich mich erde. Diese Orte holen mich zurück.

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