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Ein Leben auf eigenen Füßen

Morgens tätschelt Dominik Dumont immer erstmal den großen Plüschbären zur Begrüßung. Dann fällt sein Blick auf ein Regal mit Brettspielen: Die Kartons sind nicht akkurat gestapelt, Dominik rückt sie zurecht. Solche Details fallen dem 28-Jährigen auf, er sieht, wo es Arbeit gibt. Wenn sich im Lager die leeren Pappkartons stapeln, ist Dominik derjenige, der aufräumt. Er kontrolliert die Saugroboter, räumt die Spülmaschine aus, aber er zeichnet auch neue Ware mit Etiketten aus, führt Verkaufsgespräche. Für den Duisburger ist das Spielwarengeschäft Roskothen das Sprungbrett in ein neues Leben.

Dominik hat eine Lernbehinderung, zusätzlich liegt eine psychomentale Entwicklungsretardierung vor. Dominik übersetzt das ganz einfach: „Ich brauche sehr lange für Dinge“, sagt er. „Aber wenn, dann sitzen sie auch“, ergänzt sein Chef Boris Roskothen sichtlich zufrieden. Die Diagnose bekam Dominik 2016, das sozialmedizinische Gutachten empfahl seine Aufnahme in die Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Seinen Hauptschulabschluss hatte Dominik da schon in der Tasche – und unzählige Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit hinter sich. „Immer irgendwohin geschickt zu werden, von einer Maßnahme zur nächsten, das hat mich gebrochen“, erzählt Dominik heute.

„Kommunikation ist bei uns sehr wichtig, und da ist Dominik wirklich vorbildlich.“

Boris Roskothen

Aber auch in der Duisburger Werkstatt merkte der junge Mann mit dem sympathischen Lächeln nach ein paar Jahren: „Das ist für mich kein Endplatz.“ Dominik arbeitete in der Wäscherei: mangeln, bügeln, falten. Als die Werkstatt im ersten Lockdown der Pandemie 2020 schließen musste, machte er sich Gedanken, wie es weitergehen soll. Erst absolvierte er ein Praktikum in einem Geschäft für Bastel- und Kunstbedarf Kunstbedarf, im Februar 2023 dann lernte er Boris Roskothen kennen.

Ein Glücksfall: Mareike Lieven von der Duisburger Werkstatt freut sich, dass Dominik Dumont und sein Chef Boris Roskothen zusammengefunden haben.

Inklusion bedeutet Teilhabe

„Was für ein Glücksfall“, sagt der Inhaber des Traditionsgeschäfts am Sonnenwall rückblickend über den Anruf des Integrationsfachdienstes, der die Initialzündung für Dominiks neuen Job war. Inzwischen arbeitet der 28-Jährige im Rahmen eines betriebsintegrierten Arbeitsplatzes Vollzeit im Laden. Mareike Lieven, Bereichsleiterin Berufliche Orientierung und Vermittlung bei der Duisburger Werkstatt, besucht Dominik noch regelmäßig bei der Arbeit, steht zwischen Modelleisenbahnen, Bücherregalen und Holzspielzeug als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Doch ab dem kommenden Jahr hat Dominik mit einer regulären Festanstellung den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt endgültig geschafft – das gelingt jedes Jahr nur einer Handvoll von mehr als tausend Mitarbeitern der Duisburger Werkstatt.

Eine Kollegin bringt Dominik einen Karton mit neuer Ware. Konzentriert klebt der Duisburger jeden Preis einzeln per Hand auf, er merkt nicht mal, dass seine Brille ein wenig herunterrutscht. Die Routine liegt ihm. Doch eigentlich macht im Spielwarengeschäft jeder Mitarbeiter (fast) alles. Dominik hat viel durch Beobachtung gelernt, wenn er Hilfe braucht, stehen ihm die Kollegen zur Seite.

„Letztlich geht es bei Inklusion um Teilhabe“, weiß Mareike Lieven. „Durch die Arbeit außerhalb der Werkstatt ändert sich das Zugehörigkeitsgefühl, man verbringt Zeit mit den Kollegen und erfährt von ihnen, aber auch den Kunden Wertschätzung.“ Tatsächlich sei Dominik durch die Arbeit im Spielzeuggeschäft viel selbstsicherer und entspannter geworden. Routiniert fragt er im Verkaufsgespräch Alter und Interessen ab, präsentiert Verkaufsschlager, berichtet zwischen mehr als 4.000 verschiedenen Gesellschaftsspielen vom eigenen Spielspaß mit dem ein oder anderen Brettspiel.

Ob Verkaufsgespräche oder Etikettieren, Dominik Dumont erfährt durch die Arbeit Wertschätzung – und ist selbstsicherer geworden.

Viel Unsicherheit bei Arbeitgebern

„Kommunikation ist bei uns sehr wichtig, und da ist Dominik wirklich vorbildlich“, sagt Boris Roskothen, der zum ersten Mal mit der Duisburger Werkstatt zusammenarbeitet. „Natürlich gibt es bei ihm gewisse Grenzen, aber er tastet sich an vieles ran.“ Nur mit dem komplexen Warenwirtschaftssystem und an der Kasse arbeitet sein neuer Angestellter nicht. Und manchmal, wenn ihm alles zu viel wird, zieht Dominik sich ins Lager zurück. Doch der Geschäftsinhaber, der gerne Menschen mit weniger geradlinigen Lebensläufen einstellt, freut sich über den neuen Blickwinkel, den Dominik mitbringt. Eine Einstellung, die sich Betreuerin Mareike Lieven von mehr Arbeitgebern wünscht. „Da herrscht beim ersten Kontakt noch viel Unsicherheit und Unwissenheit“, sagt sie. „Manchen Arbeitgebern sieht man den Aha-Effekt an, wenn wir mit jemandem wie Dominik zum Vorstellungsgespräch kommen.“

Im Spielwarengeschäft jedenfalls stimmte von Anfang an die Chemie. Dominik passt ins Team und hat Freude daran, verschiedenste Spiele zu Hause zu testen – Weiterbildung auf die schöne Art. „Das Beste, was dir passieren kann, ist doch, wenn Arbeit zu deinem Leben wird, wenn du Spaß hast und Arbeit nicht nur ein gesellschaftlicher Zwang ist“, meint der Chef dazu. Für Dominik bedeutet der Job aber noch viel mehr: Plötzlich stehen ihm neue Möglichkeiten offen, von der eigenen Wohnung bis zur Urlaubsreise ist alles möglich – ein Leben auf eigenen Füßen.

Kooperationspartner gesucht

Die Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderung gGmbH begleitet Menschen mit einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung auf ihrem Weg ins Arbeitsleben. Im Rahmen eines betriebsintegrierten Arbeitsplatzes erfolgt die Entlohnung und Versicherung der Mitarbeitenden weiterhin durch die Duisburger Werkstatt. Kooperationspartner werden insbesondere in den Bereichen Industrie, Handwerk, Dienstleistung und Verwaltung gesucht: duisburger-werkstatt.de


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