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Heute im Labor, morgen in der ganzen Welt

Jochen Schiemann sagt es gleich zweimal. Einmal im Büro und einmal beim Rundgang durch die Labore und Forschungseinrich­tungen: „Wir machen, was andere gerade brauchen.“ Das allerdings findet der Ge­schäftsführer des Instituts für Energie-und Umwelttechnik in Rheinhausen (iUTA) ziemlich aufregend. Man merkt es ihm an, wenn er von seinen Projekten spricht. Zum Beispiel nachzuprüfen, wie gefährlich eigentlich die Batterien sind, die in alten Elektrozahnbürsten oder wo auch immer fest eingebaut sind. Jochen Schiemann ist zugleich stellvertretender Vorstandsvor­sitzender des iUTA, eines eingetragenen Vereins, der acht bis zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr macht.

Einer, der auch ausgesprochen mitreißend erzählen kann, ist Stefan Haep, ebenfalls Geschäftsführer des iUTA: Von Filtern be­richtet er. Wie sie die Schadstoffe aus der Luft kämmen. Welche Tücken sich damit verbinden? Der Ingenieur weiß es: Zwi­schen Labor Bedingungen und dem echten Leben bestehe ein Unterschied, erklärt er. Weil die Luft an der Nordsee anders ist als im Bayerischen Wald. Das Filter-Ergebnis muss aber überall gleich sein. „Denn der Endkunde will wissen, wie der Filter in der Praxis und unter den Bedingungen funk­tioniert, die ich beschreibe“, erklärt Haep.

Tradition und Fortschritt

Der Vorsitzende des iUTA bekommt das mit seinem Team raus. Sein Institut ver­bindet Ideen mit der Wirklichkeit. Das ist der Auftrag, dem man seit 1989 folgt. Wissenschaft nützlich machen, das ist das Geschäftsmodell des An-instituts der Universität Duisburg-Essen. Der Ort, an dem das geschieht, hätte kaum passen­der gewählt werden können. Das ehema­lige Forschungslabor der Kruppwerke in Rheinhausen ist der Hauptsitz des iUTA. Ein altes Bleiglasfenster, das die Hoch­ofenwerker bei der Arbeit zeigt, erinnert an die Eisenzeit. Das Fenster, das man von außen davor angebracht hat, dient dem Wärmeschutz. Tradition und Fortschritt sinnvoll kombiniert. Ganz passend. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bauen so auch Brücken zwischen dem alten Industrie Standort und neuen Technologien. Ganz bewusst entschieden sich die Grün­der, zu denen Bundesumweltminister Klaus Töpfer gehörte, für das ehemalige Krupp-Gelände in Rheinhausen. Hier, wo ein Werk schloss, wollte man ein Zeichen für einen zukunftsweisenden Industrie Standort setzen. Von wegen Duisburg gehöre zum alten Eisen!

Wie gut das insgesamt gelungen ist, zeigt sich am verstellten Blick. „Früher konnten wir hier direkt auf den Rhein schauen“, sagt Jochen Schiemann. Jetzt blickt er auf eine Wand aus Containern. Eines der großen Terminals auf dem logport-Ge­lände sucht die Nähe zum Flussufer. Das iUTA baut ebenfalls Brücken über Grenzen hinweg. 500 aktive Kooperationen zu Un­ternehmen in ganz Europa zeigen: Wissen aus Duisburg ist gefragt.

Für seine herausragende Arbeit in den Be­reichen Umwelt und Energie ist das Institut 2011 als „Ort der Zukunft“ vom Land NRW ausgezeichnet worden. im iUTA for­schen und entwickeln heute 120 Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter ganz konkret an dem, was morgen benötigt wird. Dass man nicht aus Lust und Laune Projekte, nicht Wissenschaft um der Wissenschaft willen betreibt, nicht Lösungen für Probleme fin­det, die keiner hat, genau das macht die Arbeit aus. Klar im Blick: die Marktreife. Zeithorizont: innerhalb von zwei bis fünf Jahren. Klare Ausrichtung: Was man tut, muss brauchbar sein.

Brücke zwischen Theorie und Praxis

Die Analysen und Entwicklungen die­nen ganz handfest dem technologischen Fortschritt. Das iUTA verschaltet Wissen­schaft und Wirtschaft. Seit fast 28 Jahren schließen die Wissenschaftler, Ingenieure, technischen Mitarbeiter, Doktoranden und Studierenden die Lücke zwischen Theorie und Praxis. Die Schwerpunkte des ana­lytischen und am Verfahren orientierten Denkens sind Gase, Aerosole (also Parti­kelteilchen innerhalb eines Gasgemischs) und Toxine. Dabei interessiert das iUTA nicht nur der Giftstoff an sich: Es geht da­rum, wie sich Dioxine, Furane oder Queck­silberdämpfe ohne Schaden für Mensch und Umwelt abscheiden und zerstören oder entsorgen lassen. Zentrale Themen sind der Umweltschutz und dabei auch der Arbeitsschutz sowie die Arbeit an Energi­en für die Zukunft. Klingt fürs Erste sehr theoretisch. ist es aber nicht. Darf es nicht sein. Praktisch denken ist das Erfolgsmo­dell.

Das iUTA hat dazu beigetragen, dass die Filter in Müllverbrennungsanlagen sauber arbeiten, und das dauerhaft. lED-Bild­schirme haben hinter dem Glas Licht Bänder, die mit Quecksilbergas gefüllt sind. Wie lassen sie sich gefahrlos entsorgen? Wie schützt man den Mitarbeiter, der sie einbaut, falls mal was bricht? Die passen­de Werkbank steht in einer der Hallen auf dem 5.500 Quadratmeter großen Gelän­de - Medikamente gegen Krebs sind unter Umständen hoch giftig. Das iUTA entwi­ckelte eine entsprechende Arbeitsfläche für die Mitarbeiter.

Die Außenluft in China ist in vielen Städ­ten so belastet, dass Fenster öffnen eben nicht für freies Atmen sorgt. Entspre­chend braucht es Luft Reiniger. in den For­schungshallen testet man, wie gut sie wir­ken. Übrigens werden für die Herstellung von Schadstoffen sehr kontrolliert, Ziga­retten maschinell verraucht. Wenn es um Analyse und Messtechnik geht, dann ist das iUTA weit vorne. Jochen Schiemann: „Es geht darum, den Zuckerwürfel im Bo­densee nachzuweisen. Es geht darum, den Zuckerwürfel in einer schlammigen Masse aus vielen unterschiedlichen Stof­fen zu entdecken.“ Nanopartikel bilden die Basis für neue Werkstoffe. Den Lotus Effekt auf Lackierungen ermöglichen diese Kleinstteile. Das Institut produziert sie ki­logrammweise. Europaweit ist man damit vorn.

Das iUTA ist als Verein organisiert und erhält Zuschüsse und Mittel durch das Landes Forschungsministerium und die iHK. Die Industrie und das Land sprechen im Verwaltungsrat mit. Die Stadtwerke Duisburg gehören ebenfalls zu den Grün­dungsmitgliedern. Das Institut sucht die Nähe zur Wirtschaft, lebt vom Interesse des Mittelstandes, aus dem Wissenspool zu schöpfen. Stefan Haep erklärt, wie das iUTA zu seinen Projekten findet: Unterneh­men stehen vor einer ganz bestimmten Herausforderung: Wie wasche ich etwa Kohlendioxid aus dem Abgas eines Ofens und was fange ich mit dem klimaschädli­chen Gas nachher sinnvoll an?

„Eine eigene Forschungsabteilung können sich insbesondere kleine oder mittlere Un­ternehmen oftmals nicht leisten“, so Haep. Aber man kann das iUTA beauftragen, die Fragen zu beantworten. Dazu gilt es zu­nächst, das Problem zu erkennen. Dann gilt es, diesem Problem auf den Grund zu gehen. Die Forschung öffnet das Feld für mögliche Lösungen. Danach entwickeln die Ingenieure entsprechende Konzepte.

Und schließlich erhält das Unternehmen die Ergebnisse des Nachdenkens.

Elektroschrott ausschlachten

Es geht auch umgekehrt: Wenn etwa eine Behörde oder die Öffentlichkeit ein Prob­lem erkannt hat, dann bereitet das iUTA Lösungsansätze vor und stellt sie der Industrie ganz allgemein zur Verfügung. Auf dass ein Unternehmen die Idee aufgreift und zur Marktreife führt. Aus diesem Grund lässt man sich regelmäßig alte Fernbedie­nungen, Laptops oder elektrische Zahn­bürsten liefern. Am iUTA entwickelt man Pläne, was sich mit dem vermeintlichen Schrott Gewinnbringendes anstellen lässt. in der Werkstatt baut sich eine weitere Verbindung, und zwar zwischen Wissen­schaft und Gemeinwohlarbeit. Das Zer­legen übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach langer Arbeitslosig­keit zurück auf den Arbeitsmarkt wollen. Gemeinsam gelingt es, Elektroschrott in Wertstoffe zu verwandeln. Mit dem im in­dustriemaßstab erworbenen Know-how hält man nicht hinter dem Berg. Auf Kon­gressen oder als Gastgeber eigener Ver­anstaltungen legen die Mitarbeiter das Fundament, auf dem Firmen ihren Erfolg aufbauen können. Jochen Schiemann: „Es ist unser Auftrag, Wissen weiterzugeben.“ Weil es dringend benötigt wird, nicht weil man selbst Spaß dran hätte. Aber Rätsel lösen, die andere einem aufgeben, kann sehr spannend sein.

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