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Das Weihnachtshaus im Norden

Heiligabend. Es ist 18 Uhr. An der Haustür von Andreas Krause klingelt es. Eine fremde Familie steht vor der Tür. „Dürfen wir ein Foto von ihrem Haus machen?“, fra­gen sie. Er nickt und sagt: „Ja, machen Sie ruhig.“ Für den 53-Jährigen ist das in der Adventszeit und zu den Feiertagen ganz normal. Seit mehr als 20 Jahren erstrahlt sein Wohnhaus in Marxloh in hellem Lichterglanz. rund 40.000 Lampen schmücken die Fassade. Früher waren es sogar 50.000. Aber Andreas Krause hat in den vergangenen Jahren abgespeckt. Die Dekoration auf dem Dach ist verschwunden. Wenn der Wind zu stark wehte, schlug die Nikolaus­figur gegen die Dachpfannen. Das Klappern störte die Nachtruhe. „Das hat meine Frau dann nicht mitgemacht“, sagt Krause. Das Dach musste er räumen. Einen handfes­ten Ehekrach löste das extravagante Hobby aber noch nicht aus. Seine Frau macht sogar mit. Während er sich um die Außenbeleuchtung kümmert, ist sie für die Innenbeleuchtung zuständig. „Das ist das reich meiner Frau, da habe ich nichts zu sagen“, sagt Krause mit einem Lächeln auf den Lippen. in einer Ehe gehören Kompromisse eben dazu. So stört sich Krause auch nicht daran, dass er heute seiner Frau zuliebe auf einige Lichterketten verzichten muss.

Hohe Stromkosten

Zehntausend Lämpchen machen bei ihm ohnehin keinen großen Unterschied. Sein Haus bleibt in Duisburg ein weihnachtlicher Superlativ. Er sagt: „Außer mir macht das ja keiner mehr. Die Strompreise sind den meisten Menschen zu hoch.“ Und wer sich den Stromzähler von Andreas Krause an­schaut, der gibt ihm recht. Die Ziffern auf der Anzeige klettern mit einem Tempo nach oben, das jedem Sparfuchs Tränen in die Augen treiben würde. in der Weihnachtszeit verbraucht Krause 4.500 Kilowattstunden — und das trotz moderner LED-Lampen. Zum Vergleich: Laut Verbraucherzentrale NRW liegt der durchschnittliche Haushalt bei 3.500 Kilowattstunden pro Jahr, die Kühlschrank und Co. mit Energie versorgen.

Die Menge Strom, die Andreas Krause für sein Weihnachtswunderland braucht, ist enorm. Dabei hat alles ganz klein angefangen. Wo heute die Garage steht, in der Lichterbäume, rentiere, Nikoläuse, Sterne und Lichterketten lagern, stand früher ein alter brauner Lamellenzaun. Krause schmückte ihn in einem Jahr mit einem Lichternetz. „Das fanden dann alle Nachbarn sehr schön“, sagt er. Also beschloss er, mehr zu machen. Von Jahr zu Jahr steigerte er sich. „Es ist wie eine Sucht“, gesteht er. Jedes Jahr lässt er sich etwas Neues einfallen. „Das ist doch das Schöne an meinem Hobby“, sagt er, „dass es immer etwas aus­zuprobieren gibt.“ Zurzeit haben es ihm Laserprojektoren angetan. Sie werfen ein stroboskopartiges Licht in bunten Farben auf die Backsteinfassade des Hauses. Mit einem Himmelsstrahler — einem soge­nannten Skybeamer — liebäugelt er auch. So wäre sein Haus schon aus weiter Ferne auszumachen.

Besuch auf der Christmasworld

Sein Equipment kauft er größtenteils im Handel. Dazu stöbert Andreas Krause stundenlang im Internet. Er ist auf der Suche nach außergewöhnlichen Stücken, die nicht jeder hat. im Netz fand er unter an­derem seine Blitzbirnen. Das sind blinkende Leuchten. Normalerweise findet man sie nur auf der Kirmes. Zu Weihnachten schmücken sie jetzt aber auch das Haus in Marxloh. in diesem Jahr kaufte er sich die Nachbildung eines japanischen Kirsch­blütenbaumes. Und natürlich leuchtet er auch. „ich brauche halt ständig Ersatz für Dinge, die kaputt gehen“, sagt er. Zu seinem Glück ist der Markt für Weihnachtsdekoration groß. Wie groß er ist, das weiß Andreas Krause von der Christmasworld. Das Branchen-Event in Frankfurt am Main ist eine der größten Fachmessen ihrer Art. „Dort kippte mir das Herz über“, schwärmt er. Die Messe ist eigentlich nur für Profis. Privatpersonen haben dort normalerweise keinen Zutritt. Einkaufszentren decken sich hier bereits im Frühjahr mit Material für die Weihnachtszeit ein. Andreas Krause schaffte es trotzdem, sich eine Eintrittskarte für die Messe zu ergattern. Einen Weihnachts­baum für 30.000 Euro stellte er sich dann aber doch nicht in den Vorgarten. Krause sagt dazu: „ich muss es ja nicht übertrei­ben, alles sollte im Rahmen bleiben.“

Bei diesem Satz lässt sich ein Schmunzeln nur schwer unterdrücken. Denn: Andreas Krause betreibt einen gigantischen Aufwand. Er bastelt vieles sogar selbst. Den großen Stern zum Beispiel. Er thront auf einem Mast einige Meter über der Garage hinter dem Haus. Der gelernte Schlossermeister hat ihn aus Metall gebogen und verschweißt. Dann bestückte er ihn mit Lichterschläuchen. Auf den Stern ist er besonders stolz. Er leuchtet auch manchmal, wenn Weihnachten noch in weiter Ferne ist. Der Stern hängt mittlerweile ganzjährig. Zwölf Monate Weihnachten direkt vor der Haustür. Der Grund: „Mir fehlt mittlerweile der Platz.“ Die Lagerfläche im Keller, in der Garage und im Schuppen nebenan ist mittlerweile belegt. So ist das Weihnachtshaus auch im Sommer als solches leicht zu identifizieren. Zwei Wochen vor dem ersten Advent nimmt sich Andreas Krause immer Urlaub. Den Bürojob, den er mittlerweile hat, tauscht er dann wieder gegen das Handwerkerdasein. tag und Nacht arbeitet er an sei­nem Haus. Zuerst verlegt er den Strom. Ein 380-Volt-Anschluss versorgt rund 150 Steckdosen, die er rund um sein Grundstück verteilt. Das Geflecht aus Kabeln ist mit Zeitschaltuhren versehen. Sie sind nötig, „weil ich nicht weiß, ob die Sicherung das alles mitmachen würde“, erklärt Krause. Dieses Jahr holte er auch das Schild mit der Aufschrift „Frohe Weihnachten“ vom Dach herunter. Es hängt ebenfalls das ganze Jahr an der Wand neben dem Eingang zu seinem Haus. „Das muss ich komplett neu machen.“ Einige der Lampen waren kaputt. An der Wand hochzuklettern, das ist wohl der riskanteste Teil seiner Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Deswegen bleibt die Leiter auch in der Garage, wenn es regnet oder schneit. Sicherheit geht vor. „Heruntergefallen bin ich bis jetzt zum Glück noch nicht“, sagt Krause.

Akribische Kleinstarbeit

Reparaturarbeiten fressen viel von seiner Zeit. So verbringt er die meisten Novem­bernächte in der Garage. Die Kälte macht ihm nichts aus. Er konzentriert sich auf seine Aufgabe. Mit dem Prüfgerät geht er die Lichterketten durch — Lampe für Lampe. Die modernen LED-Leuchten erleichtern ihm hierbei die Arbeit. Funktioniert eine Lampe nicht, dann brennen zumindest die anderen. Als die ersten LEDs auf den Markt kamen, da war das noch anders. Das berei­tete ihm viele zusätzliche Stunden Arbeit. Seine Figuren sind aber noch eine ganz an­dere Sache. Mit den Tieren und Menschen aus Fiberglas stellt er die Krippenszene nach. ihren Platz finden sie in einem Stall neben dem Haus — alles ist stilecht. „Die Figuren gibt es leider nicht mehr zu kaufen“, sagt Andreas Krause. Das heißt für ihn, dass er sie reparieren muss, wenn et­was abbricht. Wie empfindlich Fiberglas ist, weiß er daher genau. Vor einiger Zeit machte jemand die Figur des Caspar kaputt – einem der Heiligen Drei Könige, die Jesus zu seiner Geburt Geschenke brachten. Sie zersplitterte in unzählige Einzelteile. „tausend Stück waren das“, schätzt Krause. Wegschmeißen kam für ihn aber nicht in Frage, sonst wäre die Krippenszene nicht mehr vollständig gewesen. Wochenlang klebte er den kaputten Caspar in akribischer Kleinarbeit wieder zusammen.

Das ist auch mit der Grund dafür, dass in Krauses Wohnung neben der Spüle heute ein kleiner Bildschirm steht. Auf ihm ist das Bild einer Überwachungskamera zu sehen, die draußen angebracht ist. Unbe­kannte haben immer wieder Teile seiner Weihnachtsdekoration kaputt gemacht. ir­gendwann hatte Andreas Krause genug von dem Vandalismus und schaffte sich das Überwachungssystem an. So hat er immer im Blick, was vor seiner Haustür passiert. Aber nicht jeder Schaden ist mutwillig verursacht. Auch den Schneemann, der an der Straße steht, musste Andreas Krause schon mehr als zwanzig Mal kleben. Wenn Kinder vorbeilaufen, dann fassen sie häufig die Karottennase an. „Sie wollen sehen, ob sie echt ist“, so Krause. Dabei bricht sie von Zeit zu Zeit ab. Dafür hat Krause Verständnis, und er sagt sich selbst: „Wofür gibt es denn Kleber?“ Für die Arbeit entschädigen ihn dann immer wieder die leuchtenden Kinderaugen. Gerade die Kleinen sind es, die der bunte Lichterschmuck in ihren Bann zieht. Und Krause erzählt, dass sogar das eine oder andere Kind sein Haus für den Wohnort des Weihnachtsmannes hält — dabei liegt es nicht mal am Nordpol, son­dern nur im Duisburger Norden.

Fest für die Nachbarn

Das Weihnachtshaus zieht eben viel Auf­merksamkeit auf sich — auch zum Leidwesen der Nachbarn von Andreas Krause. Der kreative Bastler hat sich aber auch hier etwas einfallen lassen. Zum ersten Advent organisiert er seit Jahren ein kleines Fest. „ich wollte die Nachbarn dafür entschädigen, dass so viele Leute zum Gucken vorbeikommen.“ Glühwein und Würstchen serviert er seinen Gästen. Das Fest hat Tradition in der Siedlung. Und Andreas Krause und seine Frau sind ausgesprochen gastfreundlich. Eine Einladung sprechen sie schnell aus, laden zu ihrer großen Weihnachtsparty. Vor einigen Jahren standen die Besucher auf der ganzen Straße. Der Andrang war groß. „Die Leute haben alles leer getrunken und weggegessen“, erinnert sich Krause. Das hatte er nicht erwartet. Seinen Bekanntheitsgrad unterschätzte er.

Etwas Gutes hatte die Sache aber, wie Andreas Krause findet. Die Spendendose, die er immer aufstellt, war prall gefüllt. Denn: Auch wenn er die Gäste auf eigene Kosten bewirtet, bittet er jedes Jahr um eine kleine Spende. Das Geld behält er allerdings nicht für sich selbst. „Es ist für einen guten Zweck gedacht“, sagt er, als ob gar nichts anderes denkbar wäre. Wohin es dieses Jahr geht, weiß er noch nicht. Aber eines ist klar. Das Weihnachtshaus Festes zu finden.

Kilometer 4941,88

Das ist die Entfernung, die man vom Weihnachtshaus in Duisburg-Marxloh zum Haus des Weihnachtsmannes — oder Santa Claus, wie ihn die Amerikaner nennen — am Nordpol zurücklegen müsste. Das stimmt natürlich nur, wenn man an den Weihnachtsmann glaubt.

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