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Ehrenamt mit vielen Facetten

Rudi Kelbassa wollte nicht mit der Fernbedienung in der Hand auf sein Ableben warten. Also engagierte er sich ehrenamtlich. Zu Besuch in einem preisgekrönten Schulgarten.

Marlon Kosciow (12) holt sich eine Harke aus dem Geräteschuppen und läuft zu seinem Beet. Der Schüler will den Boden auflockern und dabei einen Blick auf die Zucchini werfen. Er geht in die Hocke, schiebt etwas Erde zur Seite und betrachtet die Kürbisgewächse. Rudi Kelbassa nähert sich dem jungen Gärtner. Der 75- Jährige beugt sich über Marlons Beet. „Die Zucchini sehen doch schon ganz gut aus“, sagt Kelbassa. „Nächste Woche können wir bestimmt ernten.“

800 Quadratmeter grüne Oase

Grüne Oase dank Ehrenamt: Der Schulgarten der Gustav-Stresemann-Realschule,

Der Rentner hat den Satz kaum ausgesprochen, da hört er schon wieder seinen Namen. „Ruuuudi! Komm mal eben rüber!“, ruft Cheyenne Verwaaijen (8). Die Grundschülerin hat eine Kartoffel aus dem Hochbeet genommen. Nun will sie die rötlich schimmernde Knolle den anderen Hobbygärtnern präsentieren. „Die ist richtig groß geworden“, sagt Kelbassa. „Da können wir schon eine kleine Portion Pommes draus machen.“ Der Mann aus Beeck grinst. Kelbassa verbringt gerne ehrenamtlich Zeit im Schulgarten der GustavStresemann-Realschule. Er mag den grünen Rückzugsort, an dem der Industrielärm nicht hörbar ist und die Wohnklötze nicht sichtbar sind. Kelbassa kennt in dieser 800 Quadratmeter großen Oase jeden Grashalm. Dreimal pro Woche kommt er dorthin.

„Ich habe damals die richtige Entscheidung getroffen.“

Rudi Kelbassa
Rudi Kelbasse hilft mit seinem grünen Daumen wo er kann.

Kelbassa baut mit den Schülern Insektenhotels, zieht Tomatenpflanzen, gießt Primeln und pflückt Äpfel. Und er lacht mit ihnen. Wenn ihn ein Kind mit der Anrede „Opa“ neckt, dann zeigt dieser „Opa“, wie schnell er noch laufen kann.

„Ich habe damals eine richtige Entscheidung für mich getroffen“, sagt Kelbassa während einer Pause. 2006 ging er in Rente und stellte sich die Frage, was er mit seiner gewonnenen Zeit machen wollte. „Ich konnte mir nicht vorstellen, mit einer Hand an der Flasche und der anderen Hand an der Fernbedienung auf mein Ableben zu warten“, erzählt Kelbassa. Eines Tages standen drei Nachbarsjungen bei ihm im Garten. Sie sahen die bunten Blumen, die frischen Früchte und waren begeistert. Die Jungs luden Rudi Kelbassa in ihren Schulgarten ein. Besser gesagt: Sie zeigten ihm eine verwilderte Fläche. „Das sah eher aus wie ein Urwald“, erinnert sich Kelbassa.

Platz 3 beim bundesweiten Wettbewerb

Er beschloss, sich ehrenamtlich an der Gustav-Stresemann-Realschule zu engagieren und einen neuen Garten anzulegen. Die Jungen und Mädchen halfen mit. Auch Eltern und Bekannte griffen zur Schaufel. 2008 folgte die Einweihung. Im Jahr darauf gab es für das Projekt bereits einen Preis: Platz drei bei einem bundesweiten Schulgarten-Wettbewerb. Rudi Kelbassa hätte es sich jetzt auf einer Bank gemütlich machen können. Tat er aber nicht. Kelbassa buddelte, pflanzte und lehrte weiter. Und damit es nicht langweilig wurde, übernahm er noch die Pflege eines weiteren Gartens. Im Kindergarten an der Leibnizstraße blüht und wächst es ebenfalls – dank Kelbassa und den Schülern aus Beeck.

Das Team mit dem grünen Daumen: Rudi Kelbassa uns seine jungen Mitstreiter haben mit viel Mühe und Einsatz einen echten Traumgarten geschaffen.

Nicht nur ein Malocher

Kelbassa versucht sich auch als Schriftsteller. Er öffnet die Tür zu seinem kleinen Büro. An der Wand hängt eine Schmetterlingssammlung, auf dem Tisch liegen Bücher. Kelbassa nimmt sich ein Exemplar, blättert um. „Ich schreibe für die Kinder auch Geschichten rund um das Thema Garten“, sagt er. Die Überschriften lauten „Willi, die Wühlmaus“ oder „Manni, der Marienkäfer“. Kelbassa könnte bestimmt auch noch das Buch „Rudi, der Rastlose“ verfassen. Es wäre ein dicker Wälzer über ein bewegtes Leben. Der gebürtige Bottroper begann seine berufliche Laufbahn als Schiffsbauer, später verdiente er sein Geld im Tank- und Rohrbau.

Nach seiner Zeit als Handwerker arbeitete Kelbassa für die Stadt: Im Duisburger Norden war er als eine Art Gerichtsvollzieher im Einsatz. Wer seine Schulden nicht begleichen konnte, erhielt Besuch von ihm. Kelbassa machte den Leuten dann auf seine freundliche Art klar, dass man Rechnungen begleichen muss. „Einer wollte mir mal an den Kragen“, sagt er. „Ansonsten war das ein schöner Job.“

Ehrenamtspreis

Als Berufstätiger engagierte sich Kelbassa bereits ehrenamtlich. Er half bei Ausgrabungen in der Stadt mit und bot Tauchlehrgänge an. „Ich habe auch fünf Tauchvereine mitgegründet“, sagt der Macher aus Beeck. Trotz Arbeit und Ehrenamt blieb Kelbassa noch Zeit für ausgedehnte Urlaube. Mit seiner Frau war er auf den Malediven, in Mexiko, Costa Rica und Australien. Mittlerweile ist Kelbassa nur noch selten auf Reisen. In den Duisburger Gärten gibt es schließlich auch was zu erleben.

„Den Ehrenamtspreis hat er sich verdient.“

Nadine Verwaaijen

So wie im Vorjahr: Da kam ein WDR-Fernsehteam nach Beeck. Es begleitete Kelbassa und die Kinder bei der Gartenarbeit. Eine Trophäe hatte die Crew auch noch mitgebracht: den Ehrenamtspreis „Ehrwin des Monats“ als Anerkennung für Kelbassa. „Den hat er sich verdient“, sagt Nadine Verwaaijen, deren Kinder Cheyenne und Justin auch im Schulgarten mit anpacken. Für die Mutter ist Rudi Kelbassa ein Segen für den Stadtteil: „Die Mädchen und Jungen lieben ihn einfach.“

Solch nette Worte sind für den Ehrenmann der liebste Lohn. Natürlich könnte sich Kelbassa mit Gärtnern noch die Rente aufbessern. Will er aber nicht. Ihm gibt das Ehrenamt viel. „Ich kann es jedem nur empfehlen, sich für die Gesellschaft einzusetzen“, sagt Kelbassa, der gerne weitere Ehrenamtler im Beecker Schulgarten begrüßen würde. Für den 75-Jährigen ist der Kontakt mit den Kindern auch ein Mittel gegen Altersschmerzen: „Wenn ich mit Schülern im Garten arbeitete, habe ich keine Zeit, über Wehwehchen nachzudenken. Und außerdem hält mich die Arbeit fit.“

Kartoffel mit roter Schale: Cheyenne Verwaaijen zeigt ihre Ernte.

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