Zum Artikel
Zum Gewinnspiel
Zur Artikelinfo
Zur Mediengalerie
Diesen Artikel teilen

Weil Leben auch Sterben ist

Thomas Heustetter sitzt auf der Kante seines Bettes. Auf dem Tisch vor ihm steht ein gelbes Lego-Fahrzeug. Thomas Heustetter hat es zusammengebaut. Dass er gerne die Musik der Rockband „Böhse Onkelz“ hört und Eishockeyspiele der Füchse Duisburg besucht, ist nicht zu übersehen. Sein Zimmer hat er mit T-Shirts, Schals und Eintrittskarten dekoriert. Er geht nach draußen auf die Terrasse, um eine Zigarette zu rauchen. „Gleich gibt es Mittagessen“, sagt der 49-Jährige. „Ich habe schon richtig Kohldampf.“

Thomas Heustetter wirkt glücklich. Dabei hat er in diesem Sommer eine niederschmetternde Nachricht bekommen. Die Ärzte diagnostizierten bei ihm Lungenkrebs. Die Krankheit ist in einem fortgeschrittenen Stadium. Es gibt keine Heilungschance. „Als ich die Nachricht erhalten habe, musste ich erstmal schlucken“, erzählt Thomas Heustetter. Der Mann mit der Irokesenfrisur wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit zum Leben bleibt. Doch diese wollte er genießen. Also bewarb er sich auf einen Wohnplatz im Malteser Hospizzentrum St. Raphael. Am 17. August zog er ein.

Genießt die Zeit, die ihm noch bleibt: Thomas Weitere Infos: malteser-straphael.de Heustetter lebt seit August im Hospiz.

Tod aus der Tabuzone holen

Mechthild Schulten leitet die Einrichtung im Stadtteil Huckingen. Das Hospizzentrum umfasst einen stationären Bereich mit zwölf Wohnplätzen, einen ambulanten Palliativund Hospizdienst für Erwachsene, einen Kinder- und Jugendhospizdienst sowie Beratungs- und Begleitungsangebote für trauernde Hinterbliebene. Schulten war schon 1992 bei der Gründung dabei. „Unser Bestreben war von Anfang an, das Thema Tod aus der Tabuzone zu holen“, sagt die Leiterin.

Zu Beginn hatte das stationäre Hospiz seinen Sitz noch in Hamborn. Später erfolgte der Umzug vom Duisburger Norden in den Süden. Der Grundsatz änderte sich nicht. „Wir wollen die Zeit des Lebens so lebenswert wie möglich machen“, sagt Mechthild Schulten.

„Wir wollen die Zeit des Lebens so lebenswert wie möglich machen.“

Mechthild Schulten

Zum Haus gehört auch ein großer Garten, in dem die Bewohner mit Besuchern die Sonne genießen können. Wer in der Stadt zum Einkaufen oder zum Abendessen möchte, kann das Gelände auch verlassen. Und wenn ein Patient um 22 Uhr noch Appetit auf eine Pizza hat, wird beim Lieferdienst bestellt.

Weil Sterben auch Leben ist – so lautet der Grundsatz im Hospiz. Und diesen haben die rund 30 Mitarbeiter verinnerlicht. Das Team besteht aus Fachpflegekräften, Palliativpflegern, Sozialarbeitern und einer Seelsorgerin. „Jeder unserer Patienten hat auf der sozialen, körperlichen, seelischen oder spirituellen Ebene individuelle Bedürfnisse“, erklärt Schulten. „Darauf geht unser Personal ein.“

Schulung für Ehrenamtliche

Im Hospizzentrum engagieren sich außerdem rund 120 ehrenamtliche Mitarbeiter. Alle haben eine mehrmonatige Schulung hinter sich. Auch Hannelore Pöter hat ein Ehrenamt übernommen. Sie begleitet Patienten. Heute sitzt sie im Zimmer von Irmgard Langmann. Die Rentnerin kam vor vier Wochen ins Hospiz. Sie ist an einer Lungenfibrose erkrankt, bekommt deshalb auch eine Sauerstofftherapie. Es fing an mit einem komischen Husten“, erzählt Irmgard Langmann. „Und dann haben mir die Ärzte gesagt, dass mit meiner Lunge etwas nicht in Ordnung ist.“ Sie entschloss sich, für die letzte Phase ihres Lebens in ein Hospiz zu ziehen. Dort lernte sie Hannelore Pöter kennen. „Die Chemie hat von Anfang an gestimmt“, sagt Irmgard Langmann. „Es war so, als würden wir uns schon ewig kennen.“ Hannelore Pöter nickt: „Ich habe noch nie so viel gelacht wie in diesem Jahr.“

Lachen verbindet: Hannelore Pöter (rechts) besucht Irmgard Langmann regelmäßig im Hospiz.

In Irmgard Langmanns Zimmer hängen selbstgemalte Bilder. Es sind Geschenke ihrer beiden Enkelkinder. Auf dem Nachttisch stehen ein Holzkreuz und eine Marienfigur in Flaschenform. „Da ist Wasser aus Lourdes drin“, erklärt Irmgard Langmann. Sie hat den französischen Wallfahrtsort vor vielen Jahren besucht. Aber auch für die Zukunft plant sie noch Ausflüge. Ihre Schwester lebt in Kranenburg in einem Pflegeheim. Über das Projekt „Wünschewagen“, das sterbenskranken Menschen einen letzten Herzenswunsch erfüllt, soll nun ein Treffen zustande kommen. Hannelore Pöter wird Irmgard Langmann an die deutsch-niederländische Grenze begleiten.

Leiterin Mechthild Schulten (links) und Andrea Kleinefehn (2. von links), Koordinatorin Ambulante Dienste, sprechen im Innenhof mit den Ehrenamtlichen Maria Straberg (2. von rechts) und Hannelore Pöter

Auch Thomas Heustetter hat noch Pläne. In einer Schublade liegen Konzertkarten seiner Lieblingsband fürs kommende Jahr. „Ich möchte das Leben bis zum Schluss weiter genießen“, sagt er. „Es bringt doch nichts, traurig zu sein.“ Thomas Heustetter hat auch schon seine Beisetzung geplant. Er war in einem Waldstück im niederländischen Venlo, um sich den passenden Ort für sein Begräbnis auszusuchen. Seinen Freunden hat Thomas Heustetter aufgetragen, wie sie ihn verabschieden sollen: mit Bier, mit „Böhse Onkelz“-Liedern und mit großer Lebensfreude. Auf eine stille Trauerfeier hat er keine Lust.

Auf Spenden angewiesen

Die Kosten für die stationäre Versorgung werden von den Pflege- und Krankenkassen getragen. „Der Patient muss keinerlei Zuzahlung leisten“, erklärt Mechthild Schulten. Einen Teil der anfallenden Kosten muss das Hospiz über Spenden und andere freie Mittel finanzieren. So ist es gesetzlich vorgeschrieben. „Deshalb sind wir natürlich auf Spenden angewiesen“, sagt Mechthild Schulten.

Spendenkonto

Malteser Hospiz St. Raphael

IBAN DE31 350 500 000 200 207 207

BIC DUISDE33XXX

Weitere Infos: malteser-straphael.de


Fotos und Videos

Beitrag empfehlen

Themenbezogene Beiträge

Weitere Beiträge