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Gitarrensaiten in die DDR geschmuggelt

Peter Bursch hat sich als „Gitarrenlehrer der Nation“ einen Namen gemacht. Für „Anders gesagt“ spricht er über Solidarität und schlägt die Brücke von den Ostermärschen bis hin zu „Fridays for Future“.
Herr Bursch, wie ist Duisburg im Bereich der Solidarität aufgestellt?

Ich denke, dass wir in einer sehr solidarischen Stadt leben. Das erlebe ich vor allem bei Musikprojekten: Wenn wir für unsere „All Star Band“ Gastmusiker suchen, dann gibt es einen kurzen Aufruf und schon kommen zig Rückmeldungen. Für die Leute ist es selbstverständlich, sich gegenseitig zu helfen. Ich kann auch noch Beispiele aus der Vergangenheit nennen, wo sich die Duisburger solidarisch gezeigt haben.

Woran denken Sie da?

Zum Beispiel an die Stahlkrise in Rheinhausen, bei der es um die Schließung des Werkes ging. Wir haben in den 1980er-Jahren mit der Band „Bröselmaschine“ oft vor Tor 1 gespielt. Dabei haben wir gesehen, wie wichtig es den Duisburgern ist, gemeinsam für den Erhalt zu kämpfen. Auch wer nicht direkt betroffen war, hat seine Stimme erhoben und demonstriert

Peter Bursch (71) ist Musiker und Autor von Gitarrenbüchern. Seine Methode ist berühmt. Sie verzichtet auf die Notenlehre, setzt dafür auf Rhythmusgefühl. So hat auch Andreas „Breiti“ Breitkopf, Gitarrist bei den „Toten Hosen“, das Instrument erlernt. Bursch steht auch weiterhin auf der Bühne. Er spielt Konzerte mit seiner All Star Band, lädt zu Acoustic Nights ein und tourt mit Bröselmaschine durch die Republik. Darüber hinaus ist der Duisburger noch Inhaber einer Musikschule. Im Stadtteil Duis-sern bietet Burschs Team Kurse und Workshops an. Informati-onen gibt es unter www.peter-bursch.de.
Erzählen Sie davon!

Das war vor 30, 40 Jahren noch eine richtig große Nummer. Meistens ging es los mit einem Eröffnungskonzert am Dellplatz, bei dem wir auch mit „Bröselmaschine“ aufgetreten sind. Und dann ging es zu Fuß los nach Dortmund, unterwegs haben wir Klassiker wie „We shall overcome“ gesungen. Auch Joan Baez, die große Ikone der Friedensbewegung aus den USA, war mit dabei. Und zum Abschluss gab es immer ein großes Fest. Da haben wir auch schon mal „BAP“ vor 100.000 Zuschauern in Dortmund gespielt.   

Für welche Themen sind Sie bei den Ostermärschen durchs Ruhrgebiet gezogen?

Das fing alles an mit dem Vietnamkrieg. Die Themen haben dann immer gewechselt und dem Zeitgeist entsprochen. Wir haben uns gegen die atomare Aufrüstung ausgesprochen und dem Fremdenhass den Kampf angesagt. Für alles, wofür sich Demonstrationen lohnten, sind wir auf die Straße gegangen. Dafür haben wir auch Menschenrechtsorganisationen wie „Amnesty international“ nach Duisburg geholt.

Haben Sie auch Konzertreisen für Solidaraktionen genutzt?

Da muss ich an unsere Auftritte in der DDR denken. Eine Künstleragentur hat uns Jahr für Jahr gebucht. Wir haben uns mit der Musik aber nicht angepasst. Politisch waren die Songs zwar, aber keineswegs kommunistisch. Übrigens: Wir haben die Reisen in den Osten auch genutzt, um befreundeten Musikern zu helfen.

Wie haben Sie das gemacht?

Indem wir Sachen in die DDR geschmuggelt haben, die dort schwierig zu bekommen waren. Ich habe erlebt, wie ein Musiker in ein Geschäft gegangen ist, um eine Gitarrensaite abzuholen. Der Verkäufer hat ihm gesagt, dass die Ware noch nicht vorrätig sei. Dabei lag die Bestellung sechs Wochen zurück. Solche Zustände konnten wir nicht durchgehen lassen. Also haben wir kistenweise Material in den Bus gepackt und die Saiten dann an befreundete Musiker verteilt. Das war für uns ein Beitrag zur Solidarität.

Wie beurteilen Sie das gesellschaftliche Engagement der jüngeren Generationen?

Bei der Altersgruppe zwischen 20 und 50 Jahren würde ich mir mehr Engagement wünschen, wobei ich keine Pauschalurteile fällen will. Reden wir lieber über positive Entwicklungen: Ich finde klasse, was die Bewegung „Fridays for future“ macht. Da ist eine ganz junge Generation unterwegs, denen der Klimaschutz sehr wichtig ist. Das macht mir Hoffnung, dass sich auf der Welt wieder vieles zum Besseren wendet.

Was gefällt Ihnen in der Gegenwart denn nicht?

Es sind so viele Menschen an der Macht, die sich unsolidarisch zeigen. Staatmänner wie Donald Trump, Recep Tayyip Erdogan oder Wladimir Putin handeln meiner Meinung nach nur egoistisch und kümmern sich nicht um das Wohl ihrer Bevölkerung. Diese Populisten sind schrecklich, und davon gibt offenbar immer mehr. Auch in Westeuropa gibt es Entwicklungen, die mir überhaupt nicht gefallen.

Was beunruhigt Sie aktuell?

Dieser Rechtsruck, der im Zuge der Flüchtlingswelle entstanden ist, macht mir Angst. Hier tauchte auf einmal die AfD auf und hat für eine aggressive Stimmung gesorgt. Das hat mit Solidarität überhaupt nichts mehr zu tun. Ich hoffe, dass die Menschen die Corona-Zeit auch genutzt haben, um mal darüber nachzudenken, was für die Gemeinschaft wichtig ist. Ich finde, dass man nur mit gegenseitiger Hilfe vorankommt. Das haben diese ganzen Populisten aber nicht im Sinn.

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