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Gemeinsam gegen Kälte

Ausgezeichnet für Solidarität: Kurt Schreiber

Kurt Schreiber hat die Ärmel hochgekrempelt. Nicht nur hier, am Küchentisch im Büro des Obdachlosenhilfevereins „Gemeinsam gegen Kälte Duisburg e.V.“, sondern schon sein ganzes Leben lang. „Mit Rührseligkeit bin ich noch nicht weit gekommen“, sagt der Vereinsvorsitzende, der sich schon als Abteilungsleiter des Sozialamtes um Obdachlose gekümmert hat. „Mitleid alleine hilft nicht, man muss die Realitäten erkennen und verändern.“

Kurt Schreiber ist Vorsitzender des Obdachlosenhilfevereins „Gemeinsam gegen Kälte Duisburg e.V."

Etwa 20 bis 30 Obdachlose gibt es in der Duisburger Innenstadt, schätzt Schreiber. Menschen mit Alkohol- oder Drogenproblemen, abgehängt, allein – in einem Wohlfahrtsstaat, der niemanden durchs Raster fallen lassen will. Schreiber sagt, von Politik und Gesellschaft komme da zu wenig: „Wir sind ein Verein, den es eigentlich nicht geben dürfte.“

Ein Benefizkonzert des Cellisten Thomas Beckmann zugunsten von Obdachlosen gab 1997, kurz nach Schreibers Pensionierung, den Anstoß „Gemeinsam gegen Kälte“ zusammen mit Kollegen von Stadtverwaltung und Wohlfahrtsverbänden zu gründen. Seitdem sind die Duisburger Ehrenamtler an mehreren Tagen in der Woche mit dem KälteBus unterwegs zu den Bedürftigen, um sie zu beraten, zu betreuen, Kleidung und Lebensmittel vorbeizubringen. Zusätzlich kümmert sich ein Team aus Ärzten und Krankenschwestern im MediBus um die medizinische Versorgung.

„Die Menschen müssen das Gefühl bekommen, sie gehören noch dazu. Solidarität braucht man nicht hinausposaunen, man muss sie jeden Tag leben“, sagt Schreiber ganz pragmatisch. Seine 85 Jahre sieht man ihm nicht an, vielleicht weil er schon immer einer war, der anpackt. Ob als kleiner Helfer der Mutter, die ihn in der Nachkriegszeit für die Arbeiterwohlfahrt mit eingespannt hat, beim Begrüßungsgeld für DDR-Bürger, das er als Angestellter der Stadt einst aus der Not heraus spontan bei Freunden zusammenschnorrte, oder heute als Streetworker mit weißem Haar, der einen Draht hat zu den Leuten auf der Straße, mit ihrer derben Sprache umgehen kann, wenn es nötig ist, auch mal eine Standpauke hält.

Klar, dass so einer keine großen Ehrenzeichen braucht. „Ich weiß, was ich mache, ist sinnvoll. Da brauche ich keinen Beifall von Dritten, die sollen mir lieber zuhören“, sagt Schreiber in Richtung Politik. Das Bundesverdienstkreuz, das ihm der Bundespräsident 20018 verlieh, hätte er deshalb beinahe abgelehnt. Aber dann dämmerte ihm, dass die Auszeichnung den Verein getroffen hat und damit auch alle Kollegen – darauf ist Schreiber nach über 20 Jahren als Vorsitzender stolz. Bei der nächsten internen Wahl 2022 will er trotzdem aussteigen, 87 ist er dann. „Ich weiß nicht, wie es dann mit dem Verein weitergeht. Es gibt nicht so viele Menschen, die sich mit solcher Arbeit auseinandersetzen.“

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