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Schuhe für die Ewigkeit

In Dietmar Penscheks Werkstatt riecht es nach Bienenwachs und Lösungsmittel. Der 65-Jährige poliert gerade einen braunen Lederschuh. Da hört er ein Klingeln. Penschek unterbricht seine Arbeit und geht nach vorne in den Verkaufsraum. Eine Kundin steht im Laden. In der Hand trägt sie einen Westernstiefel. „Womit kann ich weiterhelfen?“, fragt Penschek. Heike Wenning zeigt ihm den abgelaufenen Absatz ihres Schuhs.

Inhaber Dietmar Penschek an seiner jahrzehntealten Nähmaschine.

Fachmännischer Blick

Penschek begutachtet den Schaden. „Das bekomme ich repariert“, sagt der Ladeninhaber. „In zwei Tagen können Sie den Schuh abholen, dann ist er so gut wie neu.“ Heike Wenning ist erleichtert. „Schön, dass es hier noch einen Schuster gibt“, sagt sie. „Sonst müsste ich das gute Stück vermutlich wegwerfen.“ Dann verabschiedet sich die Kundin, und Dietmar Penschek geht zurück in seine Werkstatt.

Der Buchholzer könnte in seinem Alter bereits den Ruhestand genießen. Doch Penschek denkt noch nicht ans Aufhören. Er stellt weiter maßgefertigte Schuhe her, in seiner Werkstatt an der Münchener Straße stehen die dazugehörigen Leisten.

„In zwei Tagen können Sie den Schuh abholen, dann ist er so gut wie neu.“

Dietmar Penschek
Heike Wenning gibt Dietmar Penschek ihren Stiefel zur Reparatur.

Zwei bis drei Aufträge pro Monat nimmt Penschek an. Für die rahmengenähten Budapester aus seiner Werkstatt zahlen Geschäftsleute schon mal 500 Euro. „Dafür müssen sie sich aber auch nicht jedes Jahr ein neues Paar zulegen“, betont der Schuhmachermeister. „Die handgefertigten Modelle halten ewig.“ Penschek verkauft aber nicht nur handgemachte Unikate, sondern verlängert auch die Lebensdauer von alten Schuhen. Er erneuert abgebrochene Absätze, klebt löchrige Sohlen und weitet zu enge Schäfte. Mit dem Handwerk führt Penschek eine Familientradition fort: Sein Urgroßvater Wilhelm Damm senior machte sich 1887 als Schuhmacher im Duisburger Süden selbstständig. Später übernahm dessen Sohn Wilhelm Damm junior das Geschäft. Dietmar Penschek flitzte schon als kleiner Junge durch die Werkstatt, als Jugendlicher half er seinem Opa bei der Arbeit. Er hatte zunächst aber nicht vor, ebenfalls Schuhmacher zu werden. „Ich wollte nach dem Abitur eigentlich Archäologie studieren“, erzählt Penschek.

Die richtige Entscheidung

Doch dann entschloss er sich statt für die akademische Laufbahn doch für einen Handwerksberuf und begann seine Lehre bei einem Betrieb in Dormagen. Penschek baute damals in erster Linie orthopädische Schuhe. Er bildete sich auf diesem Gebiet weiter – und übernahm 1984 den Familienbetrieb in Duisburg. „Das war die richtige Entscheidung“, sagt der Inhaber von Leder Penschek. Die Auftragslage stimmte. Bald konnte Penschek auch für die Kulturbranche arbeiten. Ab 1996 wurde das Musical Les Misérables im neu gebauten „Theater am Marientor“ aufgeführt. Die Produzenten suchten einen Schuhmacher – und fanden ihn in Buchholz. Penschek reparierte die Brokatbrautschuhe und Musketierstiefel der Darsteller. „Wenn die Vorstellungen liefen, hatte ich stressige, aber auch wunderschöne Wochenenden“, erzählt Penschek. „Ich konnte schließlich einen Blick hinter die Kulissen werfen.“

Routinierte Arbeit

Heute ist sein Handwerk gerade während der Karnevalszeit gefragt: Die Gardetänzerinnen kommen zu Dietmar Penschek, wenn’s im Schuh drückt. Er weitet dann ihre Stiefel, damit der Auftritt keine Schmerzen verursacht. Auch die Karnevalsprinzen der Stadt geben ihr Schuhwerk in Penscheks Hände. Während er von seiner Arbeit erzählt, setzt sich der Schuhmachermeister auf einen Hocker, um einen Absatz zu reparieren. Er schneidet die Kappe ab, steckt kleine Holzstäbe in die Zwischenräume und setzt ein neues Gummi auf. Jeder Nagelschlag sitzt – schließlich ist ein Routinier am Werk. Mit einer Ausputzmaschine schleift Penschek den Absatz zurecht, zu guter Letzt poliert er die Sohle mit einem Bimsstein. Wer die Ausstattung seiner Werkstatt sieht, fühlt sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Ein Holzschrank stammt aus der Kaiserzeit. Die Nähmaschine ist 90 Jahre alt. „Aber die funktioniert einwandfrei“, betont Penschek. Er wirft selten etwas weg, das gilt für Werkzeuge, Maschinen und Schuhe gleichermaßen.

In der Werkstatt entstehen neue Lederschuhe.

Zukunftssorgen

Dass die nächste Generation seiner Familie das ganze Equipment benutzt, hält Penschek allerdings für ausgeschlossen. Er hat vier Söhne, aber keiner wollte Schuhmacher werden. Philipp Penschek verkauft in der Nachbarschaft zur Werkstatt seines Vaters aber immerhin Kinderschuhe. „Da machen wir uns nichts vor, der Beruf des Schuhmachers stirbt langsam aus“, sagt Penschek. Er kann sich an Zeiten erinnern, in denen es allein in Buchholz fünf Mitbewerber gab. Aktuell kennt Penschek in ganz Duisburg keinen weiteren.

„Solange ich Spaß habe, mache ich noch weiter“, sagt der Handwerker. Gerade die Reiter hören das gerne. Aus ganz Nordrhein- Westfalen kommen sie nach Buchholz, um ihre Stiefel reparieren zu lassen. „Die wollen, dass ich ihnen den Ort meiner Grabstätte verrate, weil die gar nicht wissen, was sie ohne mich machen sollen“, sagt Penschek und ergänzt mit einem Lächeln: „Das verrate ich denen aber nicht! Sonst buddeln die mich nachher noch aus.“

Information

Leder Penschek befindet sich auf der Münchener Straße 84 in 47249 Duisburg. Geöffnet ist es montags von 15 bis 18.30 Uhr, dienstags und donnerstags von 10 bis 13 und von 15 bis 18.30 Uhr, mittwochs von 9 bis 13 Uhr sowie freitags von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 17 Uhr. Weitere Informationen unter: leder-penschek.de


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