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AUF DEN ULI KONNTE MAN SICH VERLASSEN

Bernard Dietz spielte zwölf Jahre für den MSV Duisburg in der Fußball-Bundesliga. Er pendelte von seinem Wohnort ins Ruhrgebiet. Über seinen alten VW Käfer, Staus und einen freundlichen Polizisten spricht Dietz in der Reihe „Anders gesagt“.

Können Sie sich nach an Ihre erste Autofahrt nach Duisburg erinnern?

Da saß ich noch auf dem Beifahrersitz. Als der MSV mich zum Probetraining eingeladen hatte, hatte ich nämlich noch keinen Führerschein. Ich bin dann nach Duisburg gefahren worden. Letztendlich hat mich der Verein unter Vertrag genommen. Da ich aber in meiner Heimat wohnen bleiben wollte, musste ich einen Führerschein machen.

Welches Auto haben Sie sich nach der bestandenen Prüfung gegönnt?

Das Budget war nicht allzu groß. Ich hatte 700 oder 800 D-Mark angespart. Das reichte für einen alten VW Käfer 1200. Der hatte aber schon mehr als 100.000 Kilometer auf dem Tacho stehen. Mit ihm ging es dann immer morgens um 8 Uhr nach Duisburg. Um 18.30 Uhr war ich wieder zu Hause in meinem Geburtsort Bockum- Hövel oder eben in Walstette, wo ich später hingezogen bin.

Waren Staus Anfang der 1970er-Jahre an der Tagesordnung?

Nein. Der Verkehr war noch nicht so extrem wie heute. Im Laufe der Zeit fuhren aber immer mehr Pkw über die Straßen – zu viele für zweispurige Autobahnen. Also mussten im Ruhrgebiet drei Spuren her. Ich sage immer scherzhaft: Ab dem Kamener Kreuz bis zur Abfahrt Meiderich habe ich die Autobahnen im Laufe der Zeit mit ausgebaut.

Bernard Dietz (71) begann seine Fußball-Laufbahn beim west-fälischen Amateurverein SC Bockum-Hövel. Im Alter von 22 Jahren wechselte er zum MSV Duisburg. Für den Klub bestritt er 394 Bundesliga-Spiele und erzielte dabei 70 Tore. Unvergessen sind seine vier Treffer bei einem 6:3-Sieg über Bayern München. Nach dem Duisburger Abstieg im Jahr 1982 wechselte Dietz zum FC Schalke 04. Fünf Jahre später beendete er seine Karriere. Für die Nationalmannschaft bestritt Dietz 52 Länderspiele. Als Kapitän führte er das DFB-Team 1980 zum Gewinn der Europa-meisterschaft. Nach seiner aktiven Laufbahn arbeitete Dietz als Trainer. Seine Stationen waren der ASC Schöppingen, der SC Verl, der VfL Bochum, der MSV Duisburg und Rot Weiss Ahlen. Seit einigen Jahren gehört Dietz dem Vorstand des künftigen Drittligisten an. Das Duisburger Vereinsmaskottchen, ein Zebra, trägt übrigens den Namen Ennatz – auf diesen Spitznamen hört Dietz seit seinen Kindertagen.

Haben Sie sich nie verspätet?

Oh doch. Ich war auf dem Weg zum Training, als ein Lkw auf der Autobahn abgebrannt ist. Alles war dadurch vernebelt. Ich habe stundenlang auf einer Stelle gestanden. Als es wieder etwas voranging, bin ich die nächste Abfahrt runtergefahren. Dann musste ich erstmal in Duisburg anrufen und erzählen, dass ich mich deutlich verspäten werde.

Sie hatten also nicht viel Zeit zum Nachdenken.

Das lag am Ergebnis (lacht). Wir haben damals häufig die Bayern besiegt. Da war meine Stimmung im Auto natürlich gut, und ich habe schonmal ein Liedchen gesungen. Es gab natürlich auch schlechte Spiele, nach denen ich mich über meine eigene Leistung geärgert habe. Da war die eine Stunde Heimfahrt sehr gut, um wieder runterzukommen. Es gab unterwegs viel Zeit, um über Fußball nachzudenken. Ich habe mal ausgerechnet, dass ich während meiner zwölf Profijahre in Duisburg ein ganzes Jahr nur im Auto gesessen habe.

Vermutlich aber nicht nur im VW Käfer.

Die Autos haben natürlich gewechselt. Für mich war ein Auto aber nie ein Statussymbol, sondern ein Gebrauchsgegenstand. Irgendwann habe ich mir einen gebrauchten BMW 1602 angeschafft – silbergrau war der. Nach einem halben Jahr hatte ich aber nur noch Ärger mit dem Auto. In meiner Garage breitete sich immer ein großer Ölfleck aus. Ich wollte den Wagen wieder loswerden, das habe ich meinen Kollegen aus der Nationalmannschaft auch vor einem Länderspiel mal erzählt. Uli Hoeneß hörte sich die Geschichte an und fragte dann: „Was brauchst du denn?“ Ich wollte wieder einen BMW 1602 haben und Uli sagte nur: „Den besorge ich dir.“

Hat er Wort gehalten??

Auf Uli konnte man sich verlassen. Vier Wochen nach dem Länderspiel bekam ich einen Anruf. Mir wurde gesagt, dass ich das Auto in Herzogenaurach abholen könne. Das fand ich sensationell. Der Abholtermin war ein Freitag, da hatten wir allerdings unser Abschlusstraining vor dem Heimspiel. Ich habe unserem Trainer Rudi Faßnacht von dem Auto erzählt, und der hat mir tatsächlich freigegeben. Also bin ich morgens um fünf Uhr mit einem Kumpel runtergefahren und abends um 20 Uhr bin ich mit dem neuen BMW zum Abendessen an der Sportschule Wedau vorgefahren.

Wenn Sie so viel Zeit im Auto unterwegs waren, gab es doch bestimmt auch mal Strafzettel?

Mich hat die Polizei mal beim Kreuz Oberhausen angehalten. Da war eine Baustelle, und das erste Tempo-50-Schild hatte ich übersehen. Der Polizist hat mir das ganz freundlich erklärt und zehn D-Mark verlangt. Er wollte noch wissen, wo ich hinfahre. Da habe ich ihm erklärt, dass es zum Training beim MSV Duisburg geht. Als der Polizist gesehen hat, dass ich nur zehn D-Mark im Portemonnaie habe, hat er abgewinkt. „Lassen Sie mal stecken“, hat er dann gesagt, und ich konnte weiterfahren.

Im Jahr 1982 war die Pendelei zwischen Walstette und Duisburg erstmal vorbei.

Wir sind damals abgestiegen, und der MSV hat mich an Schalke 04 verkauft. Anfang Juli war Trainingsauftakt beim neuen Klub. Ich bin morgens losgefahren und sehe auf einmal die Schilder vom Kreuz Oberhausen. Gedanklich war ich also wie immer auf dem Weg zum MSV. Ich bin übrigens auch während meiner Schalker Zeit oft nach Duisburg gefahren. Wenn wir in der Mittagszeit trainingsfrei hatten, habe ich mich dort auf die Tribüne gesetzt und meiner alten Mannschaft zugeschaut.

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