Gärtnern in der Großstadt
Wer nach einem Bummel über die Königstraße noch im Garten arbeiten will, muss nur 300 Meter laufen. Der Weg zu den Beeten führt an einem Kiosk entlang, einem Laden für rollenspiel-Zubehör und einem Pizza-Lieferdienst. Nur zwei Straßenzüge trennen den Lärm des Hauptbahnhofs von einem Ort der Idylle. Den hat eine Bürgerinitiative in den vergangenen Jahren geschaffen. Kants Garten heißt das 3.000 Quadratmeter große Areal im Kantpark. Hier können Duisburger Bürger Kräutersamen aussäen, Unkraut jäten und Gemüse ernten. Bis zu 40 Erwachsene und 30 Kinder im Alter zwischen 16 Monaten und 65 Jahren kümmern sich um die Beete, die zuvor von den Wirtschaftsbetrieben sowie dem Amt für Umwelt und Grün hergerichtet wurden. Der Zuspruch, den dieses Projekt erfährt, zeigt: Die Popularität des urbanen Gartenbaus steigt auch in Duisburg.
Zwischen Sonnenblumen und Radieschen
Susanne Breidenbach von der Bürgerinitiative Kants Garten gefällt das. Sie ist eine leidenschaftliche Gärtnerin. „Am liebsten buddele ich aber in der Gemeinschaft“, sagt die Duisburgerin. Das ließ Susanne Breidenbach auch die Leute wissen, mit denen sie Ende 2012 im Wilhelm-Lehmbruck-Museum zusammensaß. Die runde diskutierte über die Drogenszene im angrenzenden Kantpark. „ich habe damals gesagt, dass ich mir ein Gärtnerprojekt vorstellen könnte, mit dem wir den Park aufwerten können“, erzählt Susanne Breidenbach. Bei Volker Heimann vom Umweltamt rannte sie mit diesem Vorschlag offene Türen ein. Die Stadt richtete die Beete her, und im Frühjahr 2013 konnte die Bürgerinitiative ein erstes Rondell bepflanzen. Die Palette der Pflanzenarten in Kants Garten ist groß. Susanne Breidenbach schätzt sie auf 80. Sie und andere Hobbygärtner pflegen die Staudensonnenblumen, die Phlox und den Kerzenknöterich. Schließlich sollen die Pflanzen zur Blütezeit ihre volle Farbpracht entfalten. Susanne Breidenbach lässt ihren Blick über ein Beet schweifen, das von blauem Vergissmeinnicht dominiert wird. „Das ist doch der Himmel auf Erden“, sagt sie. Zu Kants Garten gehören mittlerweile auch drei Hochbeete. Hier bauen einige Duisburger ihr Gemüse an, und sie können es dann kaum erwarten, Radieschen, Tomaten oder rote Bete zu ernten. „Gerade für die Kinder war es ein tolles Erlebnis, als die Zuckererbsen reif waren und sie die dann essen konnten“, sagt Susanne Breidenbach. Sie erklärt den jungen und den älteren Hobbygärtnern auch immer, wie Pflanzen und Gemüse richtig wachsen und gedeihen. Nicht mithilfe eines Lehrbuchs, sondern direkt mit Spaten, Harke und Gießkanne.
In Gedenken an Rosa Luxemburg
Das Engagement, das die Bürgerinitiative Kants Garten zeigt, hat auch Mareike Müller beeindruckt. Wenn Urban Gardening in der Innenstadt funktioniert, dann sollte ein ähnliches Projekt doch auch in Duissern möglich sein, dachte sie sich. Mareike Müller nahm Kontakt zu Susanne Breidenbach auf und bekam wertvolle Tipps sowie Kontakte. Die Bürgerinitiative Kants Garten verschenkte noch einige Stauden – und so konnte Ende 2015 in Rosas Garten gebuddelt werden. Der liegt im Goerdeler Park und ist mit 250 Quadratmetern um ein Vielfaches kleiner als das Vorbild auf der anderen Bahnhofsseite. Mareike Müller genügt diese Fläche. „Wir hatten in unserer Nachbarschaft Lust und Kraft, um gemeinsam zu gärtnern“, sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative Goerdeler Park. „Allerdings haben wir Hilfe bei der Umsetzung gebraucht.“ Die erhielt die Gruppe in Form von Beratung. Die Wirtschaftsbetriebe übernahmen zudem die Rodung.
Was noch fehlte, war ein Name. „Der Namensgeber des Parks, Carl Friedrich Goerdeler, war Widerstandskämpfer. Und da auch Rosa Luxemburg eine Widerstandskämpferin war, haben wir den Garten nach ihr benannt“, erklärt Mareike Müller. Es gibt aber noch einen anderen Grund für die Namensgebung: rosa Luxemburgs Passion. Die 1919 ermordete Frau liebte nämlich die Gartenarbeit. rosa Luxemburg hätte mit Sicherheit ihre Freude an der Pflanzenvielfalt in Duissern gehabt. Diese lockt auch ältere Spaziergänger an. Wenn sie ihre Runde durch den Goerdeler Park drehen, bleiben sie auch mal stehen, um den Hobbygärtnern Ratschläge zu geben. „Das sind oft Senioren, die nicht mehr ins Beet kriechen können. Aber mit ihren Tipps sind sie uns häufig eine große Hilfe“, sagt Mareike Müller. in Rosas Garten gilt wie auch in Kants Garten: Die Arbeit mit Pflanzen verbindet Generationen.
Urban Gardening und die Umwelttage
Das weiß auch ribhi Yousef. Der Mann vom Amt für Umwelt und Grün hat ein Büro, das zwischen Kants Garten und Rosas Garten liegt. Aus dem 13. Stock hat er eine großartige Aussicht auf Duisburg. Auf eine Stadt, in der Urban Gardening immer mehr im Kommen ist. ribhi Yousef organisiert seit vielen Jahren die Duisburger Umwelttage. 2016 stehen diese im Zeichen des Urban Gardening. „Wir behandeln Themen, die den Bürger vor Ort beschäftigen. in Duisburg ist Urban Gardening seit zwei, drei Jahren ein Trend. Es ist aus Berlin zu uns herübergeschwappt“, erklärt ribhi Yousef.
Er und seine Kollegen erhalten immer häufiger Anfragen von Leuten, die eine brachliegende Fläche begrünen wollen. „Wir bieten unsere Hilfe an, damit die Bürger ihre Pläne realisieren können“, sagt ribhi Yousef. Der Stadtmitarbeiter hat zwei Erklärungsansätze für die gestiegene Popularität des urbanen Gartenbaus in Duisburg. „Es gibt immer mehr Leute, die ihre Zucchini selber pflücken wollen. oder welche, die ihren Kindern zeigen wollen, wie man Tomatenpflanzen zieht“, sagt ribhi Yousef. „Zudem kann man beim Urban Gardening sehr schnell soziale Kontakte knüpfen.“
Der Heimatgarten in Rheinhausen
Ortswechsel. in der Franz-Schubert-Straße in rheinhausen reihen sich sechs Mehrfamilienhäuser aneinander. Wenn der Wind günstig steht, hört man die vorbeirauschenden Züge: Zwischen den Betonklötzen und Bahngleisen dominiert die Farbe Grün. Die Baugesellschaft GEBAG hat den Anwohnern eine 6.000 Quadratmeter große Fläche zur Verfügung gestellt. im Heimatgarten können sie gemeinsam pflanzen, pflegen und pflücken. „Besonders die Kinder nehmen dieses Angebot an“, sagt GEBAG-Mitarbeiterin Petra Valentin, die für das Projekt verantwortlich ist. 2014 gab es das erste Gartentreffen in rheinhausen. Seitdem ist einiges entstanden: Mehrere Hochbeete stehen in der Mitte der Rasenfläche. Aus bemalten Autoreifen haben Kinder einen Minion gebaut. Doch an diesem Samstag schenken sie der gelben Comicfigur wenig Beachtung. Schließlich müssen die Kinder unter Anleitung zweier Arbeitskräfte eine Holzbank auf Steinplatten setzen. Dass Mädchen und Jungen aus mehreren Nationen am Projekt beteiligt sind, ist kein Problem. im Gegenteil: Wer seinem Kollegen zeigt, wie man mit einem Dreizack arbeitet, braucht keine Worte.
Ein älterer Herr schlendert über den Rasen. Er geht zu einem Hochbeet und schaut hinein. Die Tomaten- und Möhrenpflanzen sind noch klein, bis zur Ernte dauert es noch. „Einige Anwohner wollten hier auch spezielle Gurken aus Syrien anbauen. Doch die bekommt man hier nur schwer“, sagt Petra Valentin. Daher begnügten sich die Anwohner mit der europäischen Variante. Außer zur Gartenarbeit und zum Gemüseziehen kommen die Anwohner auch aus einem anderen Grund zum samstäglichen Treffen. Wenn Michael Vedder in den Bienenstöcken Honig aufsetzt, bilden sofort mehrere Kinder einen Halbkreis um den Imker. Sie sind begeistert von den Naturerlebnissen vor der eigenen Haustür. „Es ist auch schön zu sehen, mit welcher Motivation die Anwohner ihren Heimatgarten gestalten“, betont Petra Valentin. Urban Gardening kommt an – an der Franz-Schubert-Straße in rheinhausen und in ganz Duisburg.