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Anders gesagt!

Olympiasiegerin Gabriela Grillo ist als Dressurreiterin ganz schön in der Welt herumgekommen. Als erfolgreiche Unternehmerin ist sie in Marxloh tätig, aber auch regelmäßig zum Beispiel in London im Einsatz. Freunde hat sie in aller Welt. Wo aber hat jemand, der so viel gesehen hat und an so vielen Orten heimisch ist, das Gefühl, tatsächlich zu Hause zu sein? Und was ist für Gabriela Grillo überhaupt Heimat? In der Reihe „Anders gesagt“ gibt die Frau aus dem Ruhrgebiet Antwort.

Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie das Wort „Heimat“ hören?

Als Erstes fällt mir ein Sprichwort ein: Heimat ist da, wo man dich versteht. Verstanden werden, das gehört für mich dazu. Ich verbinde mit dem Begriff aber auch den Gedanken an die Kindheit. Ich hatte eine sehr schöne Kindheit, und sie hat mir ein Fundament fürs Leben gegeben. Davon zehre ich heute noch. Wenn ich an dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, vorbeifahre, dann zieht es noch ein bisschen in meinem Herzen. Vielleicht ist das Wort sehr groß gewählt: Aber Heimat ist das, was meine Seele berührt.  

Muss man überhaupt eine Heimat haben?

Ich bedaure Menschen, die keine Heimat haben. Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, keine Wurzeln hat oder diese Wurzeln ausgerissen wurden, wenn das Gefühl der Zugehörigkeit fehlt. Das muss sehr bitter sein für jeden, der seine Heimat verlassen muss, weil dort Krieg ist oder er keine Chancen hat. Du kommst in ein ganz anderes Umfeld. Da schnippt man nicht eben mit den Fingern und hat eine andere Kultur. Dieser Spagat, die eigene Kultur weiter zu schätzen und mit der anderen Kultur eine gute Verbindung einzugehen – das gelingt einem sicher nicht von heute auf morgen.  

 

Wo sind für Sie persönlich Orte, die für Heimat stehen?

Vor allem mein Elternhaus hier in Duisburg, dort, wo ich aufgewachsen bin. Die Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit machen diesen Ort dazu. Und dort, wo ich jetzt wohne, dem landwirtschaftlichen Betrieb in Mülheim. Marxloh und gerade hier unser Unternehmen mit seinem Umfeld und seinen Mitarbeitern zähle ich dazu. Mein Vater hat mir die Freiheit gegeben, mein Leben so zu führen, wie ich es mir wünschte. Ich musste nicht in die Firma einsteigen. Nach seinem Tod hat es sich dann ergeben, dass ich hier zunächst mitgeholfen habe und ab 1993 doch wirklich voll eingestiegen bin. Heute steht für mich fest; ich bin hier nach Hause gekommen. Auch weil mir die Mitarbeiter geholfen haben, hier anzukommen, mir das Gefühl gegeben haben: Du gehörst dazu.  

Ist Heimat mehr ein Gefühl oder vielleicht eher ein Ort? Warum kann es nicht beides sein?

Ich bin durch meinen Sport viel gereist und ich reise noch heute beruflich viel. Ich habe eine große Liebe zu ländlichen Gegenden und zur Natur. Ich bin seit meinen Kindertagen sehr gern in Salzburg und habe dort enge Freunde. Aber wenn ich dann zurückfahre und von weitem taucht die Skyline meines Ruhrpotts auf, dann sage ich: Jetzt komme ich nach Hause. Vielleicht muss man hier geboren sein, um die Romantik des Ruhrgebiets zu verstehen. Ich fahre schon mal im Frühjahr und besonders im Herbst an der Industrie vorbei und schaue mir die Szenerie an. Ich finde das tatsächlich romantisch.

Würden Sie das Ruhrgebiet als Ihre Heimat bezeichnen?

Ich liebe das Ruhrgebiet und ja, es ist meine Heimat. Hier gibt es alles, Kultur und Historie und Natur. Das Tollste aber an dieser Heimat sind die Menschen. Der Menschenschlag ist großartig. Hart, geradeaus und herzlich. Du musst dich hier nie fragen, wie jemand das gemeint hat, wenn er was sagt. Das weißt du dann gleich. Die Region hat eine große Kraft, Menschen zu binden und zu verbinden. Für mich kommt es, wenn ich darüber nachdenke, beim Begriff „Heimat“ vor allem auf die Menschen an. Ich finde uns hier im Ruhrgebiet richtig gut.  

Wie lange gehört die Familie Grillo schon zum Ruhrgebiet?

Das Ruhrgebiet ist schon immer eine Gegend gewesen, wo die Menschen hingekommen sind. Ich glaube, das hat den Charakter der Menschen geprägt. Grillo ist ja nun auch kein typisch deutscher Name wie Müller, Meier oder Schmitz. Unsere Familie ist ebenfalls ins Revier zugewandert. Wir sind allerdings früh weggelaufen aus Italien; genauer gesagt im Jahr 1620. Als bekennende Protestanten mussten unsere Vorfahren damals fliehen. Über Umwege sind meine Vorfahren dann in Duisburg angekommen. In Marxloh leben viele Zuwanderer.  

Sie haben eine enge Verbindung zu vielen dieser Menschen, wie schätzen Sie das ein? Kann der Stadtteil für sie zu einem Zuhause werden?

Für jemanden, der nicht wegmusste, ist das schwer zu beurteilen. Wenn du gut aufgenommen wirst und neue Chancen bekommst, dann kann ich mir aber vorstellen, dass das durchaus geht. Die Frage, die ich mir stelle: Muss ich denn wählen? Warum soll es nicht möglich sein, meine Wurzeln zu achten und da, wo ich jetzt bin, Zuhause zu sein? Es muss kein entweder oder sein. Niemand muss seine Wurzeln, seine Kultur oder das Bewusstsein für seine Herkunft aufgeben, nur um sich an einem anderen Ort ebenfalls verstanden zu fühlen und eine Heimat zu finden. 

Gabriela Grillo (65) ritt für Deutschland. 1976 gewann die gebürtige Duisburgerin die olympische Goldmedaille im Mannschaftswettbewerb der Dressurreiter. In der Einzelkonkurrenz hatte sie bei den Spielen in Montreal mit ihrem Pferd Ultimo den vierten Rang belegt. Seit 1993 ist sie geschäftsführende Gesellschaf-terin der Wilhelm Grillo Handelsgesellschaft mbH und seit 2004 Aufsichtsratsvorsitzende der Grillo- Werke AG in Duisburg-Marxloh. Sie war darüber hinaus im Board an der Metallbörse in London tä-tig. Für ihr Engagement um den Stadtteil Marxloh erhielt sie 2010 den Preis für Unternehmercoura-ge der Internationalen Martin Luther Stiftung. Die bürgerschaftliche Vereinigung proDUISBURG e. V. hatte sie bereits 2004 für ihre Verdienste um ihre Heimatstadt mit dem Kaisermünzenpreis ausge-zeichnet.

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